Surrealistische Musik
im Dorothea Tanning Saal
im Dorothea Tanning Saal
Wer Erik Satie (1866-1925) nicht kennt, wundert sich wohl etwas über die Titel, welche der russische Pianist Ivan Sokolov ausgewählt und bei der diesjährig letzten Veranstaltung der Max Ernst Gesellschaft im gut besuchten Dorothea Tanning Saal interpretiert hat: Da ist die Rede von „Präludien für einen Hund“, von „vertrockneten Embryos“, aber auch von sportlichen Betätigungen, etwa dem Golfspiel. Der äußerst eigenwillige französische Komponist stand den Dadaisten nahe und benutzte bereits den Begriff „surréaliste“, bevor Breton und seine Dichterfreunde am Montparnasse ein surrealistisches Manifest verfaßten. Seine Kompositionen verbinden, wie Sokolov überzeugend darlegte, in innovativer Weise das Medium Musik und das Medium des gesprochenen Wortes. Auf diese Weise rufen sie Assoziationen hervor, eröffnen neue Zugänge zum Witz ebenso wie zur Vielschichtigkeit der musikalischen Aussage.
Wer glaubte, die erzielte Wirkung sei nicht mehr zu toppen, der irrte: Ivan Sokolov, selbst Komponist, setzte die surrealistischen Tendenzen fort und brachte unerwartete, neue Impulse: Plädierten die Surrealisten für eine vertikale UND horizontale Musik, so präsentierte Sokolov diese mit dem Stück „Volokos“ auf, neben und unter dem Klavier. Die Auswahl der von ihm einbezogenen Medien überschritt bei weitem die Kombination Musik – Wort, da er auch andere Klangmöglichkeiten erfand. Der Einfallsreichtum war unbegrenzt und reichte von manuell aktivierten Saiten über Nutzung des Flügels als Resonanzkörper bis hin zum klingenden Glöckchen und zum knallend platzenden Luftballon. All das ohne Effekthascherei, eher verhalten, hinter dem Witz Ernst aufblitzen lassend.
Für den reichlich gespendeten Applaus bedankte Sokolov sich mit mehreren Zugaben, u.a. einem hervorragend interpretierten Präludium von Bach: nach den surrealistischen Surprisen stellte diese konservative Variante eine neue Überraschung dar.