Freiheit der Kunst
Zwei Vorträge der Max Ernst Gesellschaft
Zwei Vorträge der Max Ernst Gesellschaft
Das diesjährige Schwerpunktthema der Max Ernst Gesellschaft „Max Ernst in seiner Zeit“ beleuchtet u.a. Strömungen, die nicht nur Kunst, sondern auch Politik und Soziales zu Lebzeiten des großen Brühlers und Weltbürgers beeinflußt haben.—-Bereits im Juni zeigte Professor Dr. Klaus Addicks, Mitglied der Max Ernst Gesellschaft, überzeugend auf, dass die Gegenwart nicht versteht, wer die Vergangenheit, in der sie wurzelt, nicht befragt. Sein brillianter Vortrag führte zu der Erkenntnis, dass der deutsche Expressionismus eine konsequente Reaktion auf die Kulturpolitik Preussens ist und somit als Produkt der Auseinandersetzung zwischen staatlich verordnetem Harmoniestreben und dem Aufbegehren der Berliner Sezession verstanden werden muß.
In seinem hoch interessanten Vortrag „Sezession und Diffamierung“ setzte nun Dieter H.A. Gerhards, der 1. Vorsitzende der Max Ernst Gesellschaft, diese Überlegungen fort und wies am Beispiel von Max Liebermann, Lovis Corinth und Max Ernst nach, dass trotz aller Verschiedenheit diese Künstler Ähnlichkeiten in der Denkweise, im Kampf gegen Vorurteile und gegen die Obrigkeit verbinden. Er illustrierte seine Ausführungen durch zahlreiche Bilder, aber auch durch treffende Zitate, z.B. Tucholskis Worte von einem „Kaiser, der nicht nur ein großes Reich besaß, sondern auch eine kleine Blockflöte. Sah man durch deren Löcher hindurch, so sah man Neue Kunst. Was tat der Kaiser? Er pfiff darauf.“
Ein anderer Machthaber pfiff nicht nur, er erteilte Berufsverbote, diffamierte die, welche nicht seiner Ideologie dienten, und brandmarkte über 600 Werke, darunter auch solche von Liebermann, Corinth und Max Ernst, als „entartete Kunst“. Die gleichnamige Ausstellung wurde auf Hitlers Geheiß von 1939 bis 1941 in Berlin und 12 weiteren Städten gezeigt und unterstützte die landläufige Verurteilung moderner Kunst. Von diesen und rund 16.000 weiteren konfiszierten Werken sind viele verschollen, andere landeten im Ausland, so auch in der Schweizer Waffenschmiede Bührle, die im Gegenzug den Nationalsozialisten Waffen verkaufte.
Mißbrauchte Kunst, unterdrückte Künstler, Ächtung, ja Tötung auch ihrer Familienangehörigen: der Referent beendete seine komprimierte Darlegung einer menschenverachtenden Entwicklung mit einem eindringlichen Plädoyer für die Freiheit der Kunst.