Ein Besuch im Atelier von Max Ernst
26 rue des Plantes – Paris – im Frühling 1936
26 rue des Plantes – Paris – im Frühling 1936
Dr. Ludger Derenthal, Mitglied im Beirat der Max Ernst Gesellschaft, ermöglichte einen Besuch in Max Ernsts Pariser Atelier. In den 30er Jahren bewohnte der Künstler eine geräumige Atelierwohnung im 10. Stock des Hauses 26 rue des Plantes im Künstlerviertel Montparnasse. Dort begleitete der Emigrant und Fotograf Josef Breitenbach im Frühjahr 1936 Max Ernst eine Zeitlang und überlieferte uns damit interessante Einblicke in Lebens- und Schaffenswelt des Malers und Bildhauers.
Ein zentrales Foto – Max Ernst, umgeben von Bildern und Skulpturen, im Arbeitskittel an seinem Schreibtisch lehnend – stand den Zuhörern zur Verfügung und ermöglichte auf diese Weise immer wieder einen Rückblick. Die Atmosphäre des Ateliers, des Künstlers nachdenklich-sinnender Blick auf die Skyline von Paris, die Objekte und ihre wechselhafte Geschichte beeindruckten sehr. Eindruckvoll auch weitere Fotos, die sozusagen das Rohmaterial zeigten: Gegenstände wie Töpfe, Scheiben, Fundsachen, die Max Ernst in zauberhafte Skulpturen verwandelte. Ebenso faszinierend das diffuse Licht über der Stadt, welches den Künstler inspirierte, seinen Skulpturen wechselhafte Aspekte verlieh und seine Nacht- und Mondbilder so magisch wirken lässt, man denke nur an „Mondspargel“ oder den Mond in „Die ganze Stadt“.
„Die Hauptstadt des 19. Jahrhunderts ist die Folie der Träume der Surrealisten und zwar in ihren konkretesten Manifestationen“, sagte der Referent und legte dar, wie das wechselnde Licht der nächtlichen Großstadt Künstler „magische Orte“ erleben ließ. Bereits Balzac, Hugo, aber auch Baudelaire fassten diese Impressionen ins Wort, Brassai fotografierte nachts Wasserspeier von Notre Dame vor dem elektrischen Lichtermeer und verzückte die Betrachter mit Darstellungen vampirhafter Wesen. Max Ernsts „Vogelkopf“ steht in der Tradition dieser nächtlich-surrealen Gebilde.
Äußerst spannend, jedoch hier wegen des komplexen Sachverhaltes nicht darstellbar, auch das Fortwirken dieser Fantasiegestalten und ihre Verquickung mit Erahnen und Erleben politischer Bedrohung in Europa, wie es sich z.B. im „Hausengel“ manifestiert, den Max Ernst 1937 in mehreren Versionen darstellt als „Bild einer apokalyptischen Katastrophe“ (Hans-Jürgen Schwalm). Max Ernst nahm diese Katastrophendarstellungen bereits in der 1934 geschaffenen „Semaine de bonté“ in visionärer Weise voraus.
Anmerkung: Kuratorenführung mit Dr. Jürgen Pech durch die im Max Ernst Museum gezeigte Ausstellung „Une semaine de Bonté“ am 03.07.08. (Vgl. Veranstaltungskalender II/08 der Max Ernst Gesellschaft)